Nach Skandalen: Sachsens Spezialkräfte werden aufgestockt

Die Spezialkräfte der sächsischen Polizei hatten wiederholt für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Jetzt ist der Neuaufbau der Eliteeinheiten nahezu abgeschlossen. Das MEK Dresden ist wieder einsatzbereit.

Sie gelten als die Elite der Polizei – und machten in Sachsen vor knapp zwei Jahren immer neue Schlagzeilen: die Mobilen Einsatzkommandos, kurz MEK. Die Skandale trugen dazu bei, dass zunächst das frühere MEK Dresden aufgelöst und später der damalige Innenminister Roland Wöller (CDU) entlassen wurde. Seither herrschte bei den sächsischen Spezialkräften eine chronische Unterbesetzung.

Diese Misere soll nun der Vergangenheit angehören. „Das MEK Dresden ist wieder einsatzbereit“, erklärt Landespolizeipräsident Jörg Kubiessa auf LVZ-Anfrage. Demnach wurde jetzt die Mindesteinsatzfähigkeit erreicht – auch wenn die geplante Sollstärke noch nicht gänzlich erfüllt ist. „Wir haben den Neuaufbau des MEK Dresden als Chance begriffen und diese auch genutzt“, sagt Kubiessa.

Spezialeinheiten sind für gefährliche Straftäter zuständig

Die Mobilen Einsatzkommandos werden zur Bekämpfung von schweren Straftaten eingesetzt. Neben den klassischen Observierungen, der verdeckten Ermittlung und der Zielfahndung nach ausgewählten Tätern sind die Elite-Polizistinnen und -Polizisten insbesondere bei Durchsuchungen und Festnahmen von mutmaßlich gefährlichen Verbrechern aktiv. So sichern sie etwa Razzien gegen Extremisten oder im Bereich der Organisierten Kriminalität ab.

Laut Innenministerium sollen die Spezialkräfte in Sachsen nicht nur ihre ursprüngliche Mannschaftsstärke von 88 Beamtinnen und Beamten wieder erreichen, sondern noch aufgestockt werden. Demnach wird aktuell mit 106 Stellen für die MEKs geplant. Die Sondereinheiten sind in Leipzig, Chemnitz und nun auch wieder in Dresden stationiert. Daneben gibt es noch ein spezielles Staatsschutz-MEK sowie das in Leipzig angesiedelte Spezialeinsatzkommando (SEK).

Sondereinheiten haben auch mehr Stellen bekommen

Schon im September 2021 hatte eine Expertenkommission erhebliche Mängel bei der Aus- und Weiterbildung von sächsischen Spezialkräften festgestellt. In dem als geheime Verschlusssache eingestuften Bericht wurde unter anderem kritisiert, dass die Sonderkommandos bei Personalaufstockungen nicht berücksichtigt wurden. Zudem sei versäumt worden, für ausreichend Nachwuchs zu sorgen. Das Fazit lautete: Die Spezialeinheiten hätten im Freistaat längst nicht den Stellenwert besessen, der ihnen öffentlich zugeschrieben wird.

„Die Handlungsempfehlungen der unabhängigen Untersuchungskommission waren eine wichtige Grundlage und brachten notwendige aufbau- und ablauforganisatorische Veränderungen mit sich“, räumt Landespolizeipräsident Kubiessa ein. So wurde unter anderem die geforderte Stellenerhöhung umgesetzt. Auch ein weiterer Kritikpunkt ist aufgegriffen worden: Die Aus- und Fortbildung der Spezialeinheiten nimmt nunmehr einen Anteil von rund einem Drittel der Dienstzeit ein.

Ehemaliger Elite-Polizist sichert künftig RB Leipzig ab

Inzwischen ist auch die Fortbildungskonzeption für Spezialkräfte überarbeitet worden, heißt es aus dem Innenministerium – „insbesondere die politische Bildung wurde in die jährlichen Fortbildungspläne aufgenommen“. Zudem sollen die Elite-Beamtinnen und -Beamten für gesellschaftliche Entwicklungen stärker sensibilisiert werden.

Auch die Führung des für die MEK zuständigen Dezernats im Landeskriminalamt war nach den diversen Skandalen neu besetzt worden. Bis dahin war Sven Mewes der Chef der sächsischen Spezialkräfte – im kommenden Jahr soll der 63-Jährige nun neuer Sicherheitsbeauftragter des Fußball-Bundesligisten RB Leipzig werden. Mewes war im Jahr 2021 in die Polizeidirektion Görlitz versetzt worden und hatte dort den Führungsstab übernommen. Konkrete Verfehlungen waren ihm aber nie nachgewiesen worden.

Skandale reichten von Munitionsdiebstahl bis Aufnahmeritual

Die Spezialkräfte der Mobilen Einsatzkommandos hatten für einige Skandale gesorgt. Von größter Tragweite war sicherlich der Diebstahl von 7000 Schuss Munition aus dem Polizeibestand. Diese wurde später als Bezahlung für das Training auf einer privaten Schießanlage in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) verwendet. In diesem Zusammenhang war gegen insgesamt 17 Beschuldigte ermittelt worden, vier mussten ihren Dienst niederlegen. Im Zuge der Ermittlungen war dann das MEK Dresden im Frühjahr 2021 komplett aufgelöst worden.

Später war noch rausgekommen, dass das MEK Dresden eine Ski-Woche als „Fortbildungsreise“ deklariert hatte. Die Konsequenz waren Disziplinarverfahren, zudem wurden einem führenden Beamten die Dienstgeschäfte untersagt. Für Schlagzeilen hatte auch ein Fall aus Leipzig gesorgt: Beim hiesigen MEK hatte es ein brutales Aufnahmeritual gegeben, bei dem die Neulinge mit Übungsfarbmunition (FX-Patronen) beschossen worden waren. Auch hier wurde zwei Beamten der weitere Dienst untersagt.

Auch frühere MEK-Beamte werden wieder in Dresden eingesetzt

Für das neu aufgebaute MEK Dresden seien die Bewerberinnen und Bewerber nun intensiv geprüft worden, macht das Innenministerium gegenüber der LVZ klar. Demnach werden neben den frisch ausgebildeten Elite-Polizistinnen und -Polizisten „auch unbelastete ehemalige Bedienstete des MEK Dresden“ sowie „weitere Kolleginnen und Kollegen, die bereits Erfahrungen im Bereich des Staatsschutz-MEK haben“, eingesetzt.

Bis heute sind insgesamt drei Auswahlverfahren und zwei Grundlehrgänge durchgeführt worden. Die Bewerberinnen und Bewerber kamen aus nahezu allen Polizeidirektionen sowie von der Polizeihochschule. „Dem Neuaufbau des MEK Dresden war zudem eine aktive Personalwerbung in Form von Info-Veranstaltungen und Beiträgen zur Aus- und Fortbildung im Intranet der Polizei Sachsen vorausgegangen“, so das Innenministerium. Der Neuaufbau einer solchen Sondereinheit mit 25 bis 30 Beamtinnen und Beamten dauert normalerweise zwei bis drei Jahre.


22.04.2022 LVZ

Sachsens Innenminister muss gehen: Daran scheiterte Roland Wöller

Roland Wöller bleibt nicht länger sächsischer Innenminister. Zuletzt gab es Schlagzeilen um seine Personalpolitik und das Verhalten von Spezialeinheiten. Doch die Probleme lagen tiefer. Eine Analyse.

Lange wurde es gefordert, nun ist es passiert: Ministerpräsident Michael Kretschmer hat Innenminister Roland Wöller (beide CDU) entlassen. Die jüngsten Debatten um Wöllers Personalpolitik gaben zwar den Ausschlag. Doch die Probleme lagen viel tiefer und waren vielfältig. Die LVZ analysiert, woran Wöller als Innenminister gescheitert ist.

Problem 1: Kommunikation

Die Presseabteilung des Innenministeriums musste unter Roland Wöller Schwerstarbeit leisten. Denn er hatte einen ganz eigenen Kommunikationsstil. Während es seinem Vorgänger Markus Ulbig (CDU) gelang, Polizeiskandale im Zaum zu halten, war es bei ihm das genaue Gegenteil: Wöller vergrößerte die Probleme.

Im Frühsommer 2020 ließ er beispielsweise kurz nach Veröffentlichung des „Fahrradgates“, bei dem Polizisten Fahrräder aus der Asservatenkammer verkauft haben sollen, eine Pressekonferenz in Dresden einberufen. Doch dann konnte Wöller nichts Neues berichten, bügelte Fragen mehr oder weniger mit Verweis auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ab: „Ich darf Sie nicht und ich kann Sie nicht unterrichten.“

Wöller verstand oftmals nicht, warum die Öffentlichkeit Themen erregt diskutierte. Dass Querdenker im November 2020 über den Ring in Leipzig marschierten und die Polizei ihrer nicht Herr wurde, sah er nicht als Versäumnis der Ordnungskräfte. Die Kritik, dass die „Freien Sachsen“ ihre „Spaziergänge“ im Winter über Wochen abhielten, ohne dass die Polizei eingriff, konnte er nicht nachvollziehen. Schmallippig und empfindlich reagierte er auf die Empörung – und sorgte für noch mehr schlechte Presse und weitere Schlagzeilen.

Problem 2: Immer neue Skandale

Relativ schnell zu Beginn seiner Amtszeit hatte Wöller ein Ziel ausgegeben: Er wollte bei der sächsischen Polizei aufräumen. Dementsprechend entschiedener gingen die Sicherheitskräfte gegen Rechtsextremisten in den eigenen Reihen vor. Auch bei Affären war Wöller schnell dabei, wenn es um persönliche Konsequenzen in den Leitungsebenen ging. Allerdings: Weniger Gesprächsstoff lieferten die Sicherheitsbehörden trotzdem nicht.

Wöllers Amtszeit sieht im Zeitraffer so aus: LKA-Beamter pöbelt als „Hut-Bürger“ gegen Fernsehteam; Neonazi-Ausschreitungen in Chemnitz; Polizisten nutzen den Namen des Rechtsterroristen „Uwe Böhnhardt“ bei einem Einsatz; Prüfungsskandal an der Polizei-Hochschule in Rothenburg; angebliche „Not-Operation“ nach einer Silvesternacht in Leipzig-Connewitz; das Fahrradgate; Polizist droht Gegendemonstranten in Dresden mit Schuss; Verfassungsschutz muss Schadensersatz zahlen; Datenaffäre beim Verfassungsschutz; Elite-Polizisten entwenden Munition; Polizei geht gegen protestierende Medizin-Studenten vor; verbotenes Aufnahmeritual bei Leipziger Elite-Polizisten; Ski-Urlaub für Sondereinheit auf Steuerzahler-Kosten.

Ein Innenminister sei für Polizeiskandale nicht direkt verantwortlich, wurde in der Koalition häufig betont. Wöller schaffte es aber nicht, dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Die sächsische Polizei blieb skandalträchtig.

Problem 3: Kein Rückhalt bei der Polizei

Die Polizei beäugte Roland Wöller ziemlich schnell, nachdem er das Innenressort übernommen hatte. Innenpolitisch war der CDU-Politiker nämlich ein unbeschriebenes Blatt. Dass gerade ihm das wichtige Ressort anvertraut wurde, kam überraschend.

Zunächst umschmeichelte Wöller die Polizei, doch richtig landen konnte er bei der Truppe nie. Das lag auch daran, dass der Minister ein Interesse daran hatte, bestehende Bünde zwischen den Führungsleuten aufzulösen, um den Korpsgeist in den Griff zu bekommen. In der Chemnitzer Polizeidirektion soll man nicht sehr begeistert gewesen sein, als Wöller Sonja Penzel zwischenzeitlich zur dortigen Polizeipräsidentin machte.

Derartiges Murren wäre vielleicht verkraftbar gewesen. Mit der Zeit gewannen die Polizisten jedoch den Eindruck, dass nur bestimmte Personen den beruflichen Aufstieg schaffen könnten. Das Gerede nahm zu, die Polizeigewerkschaften wurden hellhöriger. Immer genauer schauten sie darauf, wer befördert wurde. Alles kulminierte in den Rücktrittsforderungen von zwei Polizeigewerkschaften in Richtung des Ministers. Wöller wollte anschließend zwar die Wogen glätten. Doch die Polizisten hatten den Daumen gesenkt.

Problem 4: Vertraute bevorzugt

Wöller hatte stets nur wenige Personen um sich, denen er wirklich vertraute. Sein Führungsteam war eher klein. Mag sein, dass dieses Misstrauen aus seiner mehr als 20-jährigen Politikerfahrung rührte. Ein so großes und entscheidendes Haus wie das Innenministerium, lässt sich aber nicht mit einer Wagenburg-Mentalität führen.

Mehr noch: Wöller galt im Ministerium schnell als beratungsresistent und kaum teamfähig. Denn Kritiker stellte er oftmals kalt oder versetzte sie. Stattdessen habe er, so schildern es Beobachter, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um sich geschart, die ihm bedingungslos ergeben gewesen seien. Ein Paradebeispiel dafür ist wenige Wochen alt: Wöller machte seinen ehemaligen persönlichen Referenten Florian Oest zum Kommunikationschef der sächsischen Polizeiführung.

Wie sehr sich der Unmut bei der Polizei manifestierte und wie es gärte, bekam der Minister durch diese Personalpolitik nicht mit. Es gab niemanden, der ihn warnen konnte oder wollte. Es gab keinen Mahner. Stattdessen sah der Minister das Unheil erst, als es zu spät war.

Problem 5: Keine Fehler-Kultur

Eines zog sich wie ein roter Faden durch Wöllers Amtszeit als Innenminister: Egal, welche Affäre sein Haus zu managen hatte – der Minister fand die Schuld bei anderen. Von eigenen Versäumnissen war fast nie die Rede. Wortreich schilderte Wöller zuletzt in einem Interview, wie er bei der Polizei und bei der Polizei-Hochschule durchgegriffen habe. Auf das eigentliche Thema, warum eine Studienfreundin seiner Frau die neue Kanzlerin der Hochschule werden solle, ging er nicht ein.

Wöller ließ Fragen zur eigenen Verantwortung abperlen, als wären sie ungebührlich, als dürfte man nicht infrage stellen, dass er der beste Innenminister sei. Gerne soll er über die Medien, die ihn angeblich schassen wollten, geschimpft haben.

Die Koalitionspartner von Grünen und SPD waren schon länger genervt, wie Wöller von eigenen Verantwortlichkeiten nichts wissen wollte. In der CDU war das Stimmungsbild zum Schluss ähnlich. Dort schaute man sich das Schauspiel an, wie der Innenminister seine politische Karriere retten wollte. Nur eingreifen wollte man nicht.

Von Kai Kollenberg und Andreas Debski


Andreas Debski 11.10.2022

Internes Schreiben aus dem Innenministerium – Nach Polizei-Skandalen: Sachsens Spezialeinheiten sind chronisch unterbesetzt

Bei den Spezialeinheiten der sächsischen Polizei ist etwa jede vierte Stelle nicht besetzt. Das ist zwar auch ein Resultat der Skandale aus den vergangenen anderthalb Jahren – doch die Neubesetzungen dauern viel zu lange.

Sie sind die Elite der sächsischen Polizei – und sie sind überlastet: Bei den Spezialkräften sind lediglich 151 von 195 Stellen besetzt. Das geht aus einer internen Auflistung des Innenministeriums hervor, die der LVZ vorliegt. Betroffen ist damit fast jede vierte Stelle. Aus dem Schreiben wird auch ersichtlich: Die meisten dieser offenen Stellen sind bereits seit April 2021 verwaist. Damals war das Mobile Einsatzkommando (MEK) Dresden mit seinen 27 Mann im Zuge des Munitionsskandals aufgelöst worden. Unbeteiligte Beamte sollten auf andere Spezialeinheiten verteilt und neue Kräfte rekrutiert werden, hieß es vor anderthalb Jahren.

Einheiten der Spezialkräfte sind seit Langem unterbesetzt

Laut der aktuellen Statistik aus dem Haus von Innenminister Armin Schuster (CDU) fehlen den verbliebenen MEK in Leipzig und Chemnitz aber mittlerweile 35 Beamtinnen und Beamte: Von den 88 Stellen sind seit Monaten nur 53 besetzt, zwischenzeitlich waren es sogar noch weniger (Ministeriumsstand: Juli 2022). Gleichzeitig klafft beim MEK des Staatsschutzes eine Lücke von sieben Spezialkräften zur Soll-Stärke von 35. Für das in Leipzig stationierte Spezialeinsatzkommando (SEK) beträgt das Minus zwei Stellen, bei einem Soll von 72. Neben den klassischen Observationsaufgaben, der verdeckten Ermittlung und der Zielfahndung werden die Elite-Polizistinnen und -Polizisten insbesondere bei Durchsuchungen und Festnahmen von gefährlichen Verbrechern aktiv.

Nach anderthalb Jahren: Konzept für MEK-Neuaufbau wird erarbeitet

Nun wird intern erklärt: Bislang seien zumindest „intensive Überlegungen zum künftigen Aufbau und den spezifischen stellenmäßigen Untersetzungen … getätigt“ worden. Und weiter wird in dem Papier, das als Vorlage für die Antwort zu einer Großen Anfrage der sächsischen Linksfraktion dienen soll, ausgeführt: Aktuell würden „die Möglichkeiten zum Neuaufbau des MEK Dresden … erarbeitet“. Der damalige Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar hatte im Frühjahr 2021 gesagt, dass eine entsprechende Ausbildung zwei bis drei Jahre dauere – doch von solchen Zeiträumen ist in dem vorliegenden Schreiben des Innenministeriums keine Rede mehr.

Expertenkommission hatte Aus- und Weiterbildung kritisiert

Tatsächlich hatte eine Expertenkommission schon im September 2021 erhebliche Mängel bei der Aus- und Weiterbildung von sächsischen Spezialkräften festgestellt. In dem als geheime Verschlusssache eingestuften Bericht wurde unter anderem kritisiert, dass die Sonderkommandos bei Personalaufstockungen nicht berücksichtigt wurden. Zudem sei versäumt worden, für ausreichend Nachwuchs zu sorgen.

Deshalb habe schon vor der Auflösung des MEK Dresden eine chronische Unterbesetzung geherrscht, hatten die bundesweit anerkannten Sicherheitsexperten bemängelt. Inzwischen hat sich die Lage offenbar weiter verschlechtert, wie die jüngsten Zahlen aus dem Innenministerium nahelegen. Die Untersuchungskommission hatte vor gut einem Jahr zusammengefasst: Die Spezialeinheiten hätten im Freistaat Sachsen längst nicht den Stellenwert besessen, der ihnen öffentlich zugeschrieben wird.

Sonderkommandos erhalten mehr politische Bildung

Das Innenministerium hat nach eigenen Angaben zumindest an zwei Stellen reagiert. Die Fortbildungskonzeption für Spezialkräfte sei überarbeitet worden, heißt es – „insbesondere die politische Bildung wurde in die jährlichen Fortbildungspläne aufgenommen“. Zudem sollten die Elite-Beamtinnen und -Beamten für gesellschaftliche Entwicklungen stärker sensibilisiert werden. Auch die Führung des für die MEK zuständigen Dezernats wurde neu besetzt, allerdings schon vor einem Jahr.

Spezialkräfte hatten mit Skandalen für Aufsehen gesorgt

Die sächsischen Spezialkräfte hatten in den vergangenen anderthalb Jahren immer wieder mit Skandalen für Aufsehen gesorgt. So hatte das MEK Dresden nach heutigen Erkenntnissen etwa 14 000 Schuss gestohlen und zumindest einen Teil davon als Zahlungsmittel auf einem privaten Übungsgelände verwendet. Im Zuge der Ermittlungen kamen immer neue Verfehlungen ans Licht. Dazu gehörte ein Skiurlaub, der als Fortbildung deklariert worden war. Auch ein brutales Aufnahmeritual beim MEK Leipzig war bekannt geworden, bei dem Neulinge aus nächster Nähe mit Farbmunition beschossen wurden.

Innenministerium: Keine rechtsextremistischen Vernetzungen

Das Innenministerium listet jetzt insgesamt 95 „relevante Vorkommnisse“ auf, denen seit Anfang 2021 nachgegangen wurde. Davon betreffen zwölf das SEK, wobei sieben im Zusammenhang mit der Leipziger „Fahrradgate“-Affäre stehen: Offenbar haben auch Elite-Polizisten illegal Räder aus der Asservatenkammer gekauft oder hatten dies vor. Ein Fall berührt demnach das Staatsschutz-MEK, ermittelt wird wegen des Verdachts der außerdienstlichen Nötigung im Straßenverkehr.

Die Masse machen mit 82 Ermittlungen aber die MEK aus, wobei die drei bereits erwähnten Skandale die größten Posten darstellen. Im Fall des Leipziger Aufnahmerituals wird immerhin gegen 24 Beteiligte ermittelt. Daneben werden sowohl der Munitionsskandal als auch die private Skiwoche der Spezialkräfte noch vor Gericht behandelt, so das Innenministerium. In einem Punkt herrsche allerdings schon Klarheit, wird hinzugefügt: Bislang gebe es keine Erkenntnisse zu „rechtsextremistisch orientierten Vernetzungen“ im Bereich der Spezialeinheiten, das gelte sowohl für frühere als auch für aktuelle Beamtinnen und Beamte.


15.09.2021 LVZ

Geheimer Bericht enttarnt Mängel bei Sachsens Spezialeinheiten

Die Expertenkommission zum Munitionsskandal bei der sächsischen Polizei hat nicht nur den mutmaßlichen Diebstahl untersucht: Der als geheim eingestufte Bericht listet auch viele Mängel in der Ausbildung auf.

Der Freistaat Sachsen hat die Aus- und Weiterbildung seiner polizeilichen Spezialkräfte über Jahre hinweg vernachlässigt – das betrifft insbesondere die Bereiche zum beruflichen Selbstverständnis, zur Demokratiebildung sowie zur Rechtskunde.

Das geht aus dem Untersuchungsbericht zum Munitionsskandal bei der sächsischen Polizei hervor. Das als geheime Verschlusssache eingestufte Papier liegt der LVZ vor.

Fortbildung in Staats- und Verfassungsrecht fiel komplett aus

Demnach hat allein beim Spezialeinsatzkommando (SEK) seit 2011 nur etwa die Hälfte aller Fortbildungen – rund 80 pro Jahr – stattgefunden. Der Rest fiel ganz oder teilweise aus. So wurde „Staats- und Verfassungsrecht“ durchgängig nicht durchgeführt, „Politische Bildung“ und „Einsatzlehre“ allenfalls anteilig.

Für die Fortbildungspraxis bei den ehemals vier Mobilen Einsatzkommandos (MEK) fehlt eine entsprechende Datengrundlage völlig. Der Expertenkommission konnte nur eine Zusammenstellung von Einzelveranstaltungen für 2018 vorgelegt werden – auch diese Unterlagen bestätigten die Mängel, heißt es. Darüber hinaus wird kritisiert: „Das Thema Berufsethik ist ohnehin nicht im Angebot.“

Sachsens Innenminister hatte Kommission eingesetzt

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hatte die Expertenkommission unter Leitung des ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, eingesetzt, um den Munitionsskandal untersuchen zu lassen.

Im Frühjahr 2021 war bekannt geworden, dass 17 Beamte des MEK Dresden für ein illegales Schießtraining mindestens 7000 Schuss Munition entwendet haben sollen.

Wöller kündigt neues Fortbildungskonzept an

Am vergangenen Freitag waren Auszüge des Kommissionsberichts öffentlich vorgestellt worden – dagegen landete das gesamte, 119 Seiten umfassende Gutachten unter Verschluss. Die Expertenkommission sieht die Mängel in der Aus- und Weiterbildung auch als eine der Ursachen für einen „Korpsgeist“ vor allem in den Sondereinheiten an.

Wöller erklärte am Dienstag auf LVZ-Anfrage: „Neben handwerklichem Können ist die Schulung in Gesellschafts- und Politikwissenschaften unerlässlich. Deshalb wollen wir ein verbindliches Fortbildungskonzept in Berufsethik und Demokratiebildung.”

Sicherheitsexperten kritisieren Unterbesetzung und Überalterung

Die Sicherheitsexperten – zu denen auch der ehemalige Chef der Anti-Terror-Einheit GSG 9, Friedrich Eichele, gehörte – holen in ihrem Bericht quasi zu einer Generalkritik aus: Die Spezialeinheiten hätten längst nicht den Stellenwert besessen, der ihnen öffentlich zugeschrieben wurde. Die Sonderkommandos waren nicht nur chronisch unterbesetzt und wurden bei Personalaufstockungen nicht berücksichtigt – es wurde auch versäumt, für ausreichend Nachwuchs zu sorgen.

Fast die Hälfte aller Leipziger MEK-Beamten erreicht in den kommenden acht Jahren die Altersgrenze von 48 Jahren, beim SEK ist es fast ein Drittel. Stattdessen habe das zuständige Innenministerium den Fokus vor allem auf zusätzliche Waffen und Ausrüstungstechnik gerichtet sowie Werbeaktionen häufig als „Waffenschauen“ dargestellt.

Auch insgesamt gravierende Mängel bei der Polizei

Die Kommission stellt allerdings nicht nur Mängel bei den Spezialkräften fest – auch für die sächsische Polizei im Allgemeinen werden Defizite bei der Stellen-, Besetzungs- und Ausbildungsplanung akribisch aufgelistet. So sank die Zahl der Polizeibeamtinnen und -beamten zwischen 2006 und 2016 aufgrund „politischer Vorgaben des sächsischen Innenministeriums“ von 12.046 auf 10.731. Seither wurde das Personal zwar wieder aufgestockt, doch von den inzwischen 11.688 Stellen sind 459 laut Untersuchungsbericht nicht besetzt. In den zurückliegenden zwei Jahren mussten sogar noch mehr Plätze frei bleiben. Die Experten kommen zu dem Schluss: Über lange Zeit seien die Empfehlungen diverser Fachkommissionen ignoriert worden.

Ein Drittel der Führungsstellen ist nicht besetzt

„Wirklich gravierend“ sind die Engpässe laut Untersuchungsbericht in der Polizeiführung: Nicht nur die Stellenzahl wurde bis 2016 um ein Fünftel zusammengestrichen – sondern auch die noch verbliebenen knapp 200 Stellen sind in den vergangenen Jahren lediglich zu etwa zwei Dritteln vergeben gewesen. Aktuell sind nur 129 von 197 eingeplanten Führungspositionen besetzt. Außerdem wird kritisiert: Im Bereich von höheren Funktionen „kommt es auffällig oft zu Wechseln und Vakanzen“.

Kommission fordert mehr Polizisten mit Migrationshintergrund

Die Sicherheitsexperten mahnen darüber hinaus ein „gezieltes Werben um Menschen mit Migrationshintergrund“ für die sächsische Polizei an. Eine Studie aus dem Jahr 2019 sah den Anteil bei 1,3 Prozent. In anderen Bundesländern liege der Anteil zwischen 20 und 30 Prozent, hält die Kommission dem Innenministerium vor – und kritisiert auch, dass das Wöller-Ressort unter Verweis auf den Datenschutz keine aktuelle Statistik vorgelegt habe.

Von Andreas Debski


09.09.2021

Munitionsskandal: Gutachten sieht Führungsversagen bei sächsischen Spezialkräften

Bei den Spezialkräften der sächsischen Polizei sind mindestens 7000 Schuss Munition verschwunden. Die Untersuchung durch eine Expertenkommission spricht jetzt von einem eklatanten Führungsversagen.

Die Kommission zur Aufklärung des Munitionsskandals bei der sächsischen Polizei hat eklatante Mängel festgestellt. Nach LVZ-Informationen werden unter anderem Verstöße gegen die Dienstaufsicht, eine unzureichende Kontrolle der Spezialkräfte sowie Führungsversagen attestiert. So fungierte beispielsweise der Schießtrainer gleichzeitig als Waffenwart – ein Vergehen, das den Diebstahl von rund 7000 Schuss Munition zumindest begünstigt hat. Vorab verlautete außerdem, dass es offenbar keine engen Kontakte mit rechtsextremen Netzwerken gegeben haben soll.

Schießtrainer war in Personalunion auch Waffenwart

Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten, das die prominent besetzte Expertenkommission in den vergangenen drei Monaten erstellt hat. Innenminister Roland Wöller (CDU) will am Freitag die Details der Untersuchung gemeinsam mit Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar und den Mitgliedern der Kommission vorstellen. Im Frühjahr hatte Wöller bereits von einer „unfassbaren kriminellen Energie“ gesprochen. Der damalige LKA-Präsident Petric Kleine musste eingestehen: „Meine Kollegen haben dienstlich nicht genehmigt geschossen.“

Ermittlungen gegen 17 Beamte des MEK Dresden

Im Frühjahr war bekannt geworden, dass gegen 17 Beamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) des Landeskriminalamtes Sachsen unter anderem wegen gemeinschaftlich begangenen Diebstahls von mindestens 7000 Schuss Munition und Verstoßes gegen das Waffengesetz ermittelt wird. Den Untersuchungen in Sachsen waren Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Mecklenburg-Vorpommern vorausgegangen.

Die Schweriner Behörde hatten herausgefunden, dass auf einem Schießstand in der Nähe von Güstrow nicht nur jahrelang Spezialeinheiten der Polizei, sondern auch Mitglieder des rechtsextremen „Nordkreuz“-Netzwerks trainiert hatten. Bei einer Razzia im Haus eines der Protagonisten der Gruppe wurden dann große Mengen an Waffen und Munition gefunden – darunter aus Polizeibeständen.

Ermittler untersuchen auch Kontakte zu Rechtsextremen

Den Schweriner Erkenntnissen zufolge waren im November 2018 auch mehrere Mitglieder des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) Dresden nach Güstrow gereist und hatten für ein privates Schießtraining auf dem Gelände der „Baltic Shooters“ mindestens 7000 Schuss Munition im Gepäck – die sie zuvor aus sächsischen Polizeibeständen gestohlen hatten. Angeblich seien die Patronen gleich verschossen worden. Die Rechtextremismus-Expertin Kerstin Köditz (Linke) geht allerdings eher davon aus, dass es sich um Spezialmunition gehandelt hat, die als Bezahlung des Schießtrainings gedient und so möglicherweise in den Händen der rechtsextremen „Nordkreuz“-Gruppe gelandet sein könnte. Bisher fehlt von den 7000 Schuss Munition jede Spur.

LKA-Chef war wegen Munitionsskandal zurückgetreten

Um den Munitionsskandal aufzuklären, hatte Wöller eine externe Ermittlungsgruppe eingesetzt, zu der die beiden früheren leitenden Verfassungsschützer Heinz Fromm und Manfred Murck sowie der ehemalige Präsident der Bundesbereitschaftspolizei Friedrich Eichele gehören. Die vier Hauptverdächtigen sind bereits im Frühjahr suspendiert worden. Im Zuge des Munitionsskandals war der Präsident des zuständigen Landeskriminalamtes, Petric Kleine, zurückgetreten. Seine Nachfolgerin wurde die Chemnitzer Polizeipräsidentin Sonja Penzel.

Von Andreas Debski und Matthias Puppe


Tilman Kortenhaus, Andreas Debski und Frank Schober 13.02.2024

RB Leipzig stellt ehemaligen SEK-Boss als Sicherheitschef ein

Bis 2021 war Sven Mewes noch Chef der Spezialkräfte der sächsischen Polizei – nun soll er sich bei RB Leipzig um die Sicherheit kümmern. Viel Erfahrung bringt der 63-Jährige mit, soll aber dennoch lange eingearbeitet werden.

Das Transferfenster für Spieler ist geschlossen, Neuzugänge der etwas anderen Art sind aber dennoch möglich. Ein solcher ist beim Fußball-Bundesligisten RB Leipzig kürzlich aufgeschlagen. Ab dem 1. Januar 2025 soll Sven Mewes als Sicherheitschef einsteigen, bereits seit Januar wird der 63-Jährige bei den Roten Bullen eingearbeitet. Im Trainingslager in Spanien war der Neue bereits dabei. Der ehemalige Boss der Spezialkräfte der sächsischen Polizei ist ein Mann vom Fach, soll unter anderem an Spieltagen und den vielen Reisen des Profiteams und der Nachwuchsmannschaften für die Absicherung zuständig sein. Zuerst hatte die „Bild“ darüber berichtet, inzwischen bestätigte RB gegenüber der LVZ die Personalie.

Mewes soll im nächsten Jahr der Nachfolger des langjährigen RB-Sicherheitschefs Uwe Matthias werden. Der 75-Jährige hatte vor seinem Engagement beim Bundesligisten lange als Chef der Leipziger Kriminalpolizei gearbeitet. Es gilt nicht als ausgeschlossen, dass Matthias auch im kommenden Jahr noch eine Aufgabe am Cottaweg übernimmt.

Mewes konnten keine Verfehlungen nachgewiesen werden

Aus einem ähnlichen Berufsfeld stammt auch Mewes. Der ehemalige Chef der Spezialkräfte war 2021 über die sogenannte Munitionsaffäre bei den sächsischen Sondereinheiten gestolpert: Der damalige Innenminister Roland Wöller (CDU) versetzte ihn daraufhin in die Polizeidirektion Görlitz, wo er den Führungsstab übernahm.

Konkrete Verfehlungen konnten dem Chef der Spezialkräfte nicht nachgewiesen werden. Im Gegenteil: Der ehemalige Präsident des Landeskriminalamtes, Petric Kleine, hatte sowohl in einer Pressekonferenz als auch während einer Sondersitzung des sächsischen Innenausschusses erklärt, dass Mewes ein Schießtraining in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) offiziell untersagt hatte.

Im Zusammenhang mit diesem Training war gegen insgesamt 17 Beschuldigte ermittelt worden. Die Elitepolizisten sollen im Jahr 2018 insgesamt 7000 Schuss Munition aus den Beständen der sächsischen Polizei entwendet haben. Diese wurde später als Bezahlung für das Training auf einer privaten Schießanlage in Güstrow verwendet.

Der Abteilungsleiter Mewes musste daraufhin seinen Posten räumen. Er war mehr als 30 Jahren im Polizeidienst, unter anderem wurde Mewes auch bei der GSG 9 ausgebildet. Deutschlandweit bekannt wurde er, als er 2017 eine Spezialeinheit der sächsischen Polizei im Hamburger Schanzenviertel anführte. Gemeinsam mit der österreichischen Cobra-Einheit wurde gegen gewaltbereite G20-Gegner vorgegangen. Danach gab es Kritik am angeblich zu heftigen Vorgehen der Sachsen. Mewes ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.


19.04.2022

Neuer Skandal bei Sachsens Elite-Polizei: Vier-Sterne-Hotel statt Trainingshalle

Das Mobile Einsatzkommando (MEK) Dresden hat einen Skiurlaub offenbar mit Steuergeldern bezahlt – nach LVZ-Informationen laufen Ermittlungen wegen Betrugs innerhalb der sächsischen Sondereinheiten.

Bei Ermittlungen innerhalb des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) Sachsen sind weitere Dienstvergehen aufgedeckt worden. Laut LVZ-Informationen haben Elite-Polizisten des MEK Dresden einen Skiurlaub als Trainingseinheit deklariert. Demnach hatte sich die Sondereinheit zum turnusmäßigen Sport abgemeldet – tatsächlich ging es auf Kosten der Steuerzahler aber in ein Vier-Sterne-Hotel in den Alpen. Der Winterspaß war als „Fortbildungsreise“ ausgewiesen worden.

Ausbildungsplan der Sondereinheit wurde offenbar manipuliert

Der Vorfall wurde bislang weder durch das Innenministerium noch das Landeskriminalamt (LKA) veröffentlicht. Konkret geht es um einen Ausbildungsplan, den Sachsens MEK-Chef Ralf K. als zuständiger Dezernatsleiter im LKA bestätigt hatte. Aus Sicherheitskreisen verlautet jetzt, dass „nur etwa die Hälfte der Wahrheit entsprach“. Dazu zählt unter anderem der genannte Skiurlaub für die Sondereinheit.

Ermittlungen nach Munitionsskandal beim MEK Dresden

Dabei handelt es sich um das MEK Dresden, das im vergangenen Jahr aufgelöst worden war. Auslöser war der sogenannte Munitionsskandal: Die Spezialkräfte hatten nach heutigen Erkenntnissen etwa 14.000 Schuss gestohlen und zumindest einen Teil davon als Zahlungsmittel auf einem privaten Übungsgelände verwendet. Im Zuge der Ermittlungen kamen immer neue Verfehlungen ans Licht. Im Fall des Skiurlaubes soll es sich um nahezu den identischen Personenkreis wie beim Munitionsskandal handeln. Zuletzt war ein brutales Aufnahmeritual beim MEK Leipzig bekannt geworden, bei dem Neulinge aus nächster Nähe mit Farbmunition beschossen worden waren.

Generalstaatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs

Das Landeskriminalamt will auf LVZ-Anfrage zu dem neuerlichen MEK-Fall keine Stellung beziehen und verweist auf das laufende Verfahren. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden bestätigt hingegen: Gegen Ralf K. werde „ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges im Zusammenhang mit der Abrechnung einer Fortbildungsreise“ geführt. Auf Grund der noch andauernden Ermittlungen könnten allerdings keine Einzelheiten bekanntgegeben werden.

Auch ein internes Disziplinarverfahren läuft

Der ehemalige Chef der sächsischen Elite-Polizisten ist mittlerweile versetzt worden. Laut LVZ-Informationen war er zwischenzeitlich im Polizeiverwaltungsamt für das „Innovationslabor“ mit zuständig: Ein dreiköpfiges Team soll den Markt auf modernste Technik beobachten, um beispielsweise computergestützte Analysen für den Einsatz auch von Sondereinheiten vorzubereiten. Gegen Ralf K. läuft – neben den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft – weiterhin ein internes Disziplinarverfahren. Zudem ist er suspendiert worden und darf die Dienstgeschäfte, wie es offiziell heißt, vorerst nicht ausüben.

Von Andreas Debski


13.04.2022

Verbotenes Aufnahmeritual: Ermittlungen gegen Leipziger MEK-Elitepolizisten

Bei einer Spezialeinheit der sächsischen Polizei in Leipzig soll es zu einem verbotenen Aufnahmeritual gekommen sein. Deshalb finden aktuell Durchsuchungsmaßnahmen bei Beamten statt.

Es geht um ein verbotenes Aufnahmeritual bei einer Spezialeinheit der sächsischen Polizei: Bei 23 Beamten des Landeskriminalamtes (LKA) im Raum Leipzig finden aktuell Durchsuchungsmaßnahmen statt. Nach Behördenangaben vom Mittwoch sind sowohl deren Privatwohnungen als auch die dienstlichen Arbeitsplätze betroffen. Die Sonderkommission INES der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und das LKA ermitteln gegen 25 Angehörige (29 bis 54 Jahre) des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) Leipzig sowie eine Polizeiärztin. Der Tatvorwurf: Verdacht der gefährlichen Körperverletzung im Amt und Diebstahl mit Waffen. Das LKA selbst hatte den Fall zur Anzeige gebracht.

Ein Beamter durch Schüsse verletzt

Die Beamten sollen auf Weisung eines Gruppenführers am 3. Dezember 2020 in den Diensträumen des MEK in Leipzig nach einer dienstlichen Jahresabschlussveranstaltung ein verbotenes Aufnahmeritual für zwei neue Kommando-Angehörige als „Abschlussprozedur“ ihrer Probezeit durchgeführt haben. Der ebenfalls anwesende Kommandoführer habe das gebilligt. Einer der Neulinge sei dabei mit mehreren Schüssen aus einer polizeilichen Übungswaffe verletzt worden sein. Zum Einsatz kam sogenannte Simunition, eine nicht tödliche Übungsmunition zur Farbmarkierung. „Der Geschädigte erlitt Hämatome, die von der vor Ort anwesenden Polizeiärztin medizinisch versorgt wurden“, teilte das LKA mit. „Die dienstlich gelieferte Simunition wurde für diese Schießübung unberechtigt entwendet und verbraucht.“ Zudem seien Schutzmaßnahmen bewusst missachtet worden.

Zwei leitende Beamte als Haupttäter

Die ganze Sache kam im Zuge der MEK-Munitionsaffäre im Jahr 2021 heraus. Damals war vom Innenministerium eine unabhängige Untersuchungskommission eingesetzt worden. Bei weiteren Überprüfungen stieß man auch auf die Vorfälle bei der teaminternen Feierlichkeit im Dezember des Jahres 2020 beim Leipziger MEK. Von den Durchsuchungen betroffen waren die Beteiligten der Feierlichkeiten. „Durch das Auffinden von Beweismitteln und die Sicherstellung von Kommunikationsgeräten und Speichermedien, soll der Sachverhalt weiter ermittelt werden und die Intensität der jeweiligen Beteiligung der einzelnen Kommandomitglieder geklärt werden“, teilte das LKA mit. Im Fokus der Ermittler stehen zwei mit Führungsfunktionen beauftragte Personen als Haupttäter. Ihnen sei die Durchführung der Dienstgeschäfte mit sofortiger Wirkung untersagt worden.

„Manchmal muss man beim notwendigen Aufräumen mit weiteren Problemen rechnen“, so LKA-Präsidentin Sonja Penzel. „Mutproben oder Aufnahmerituale gehören nicht in die Polizei. Hier wurden nicht nur Grenzen eines gesitteten Miteinanders überschritten, sondern dienstliche Trainingsmittel missbräuchlich verwendet. Das enttäuscht mich umso mehr, als dass gerade die Führungskräfte sich ihrer Verantwortung bewusst sein sollten. Daher habe ich dienstrechtliche Konsequenzen gezogen und die Betreffenden sofort von der Führung der Dienstgeschäfte entbunden.“

Von Frank Döring